Karibik Teil 3: Barbados
Anreise und der erste Abend
Wir hatten den Taxifahrer, den wir in Kingston kennengelernt hatten, auf 10:30 bestellt, um uns zum Flughafen zu bringen. Kurz nach neun bekam ich einen Anruf, dass sein Auto liegen geblieben sei, sodass wir nochmal kurz eine Alternative organisieren mussten. Etwas stressig, aber ich hatte gleich beim ersten Taxiunternehmen Glück. Auch wenn die Dispatcherin gefühlt drei Gespräche auf einmal geführt hatte und wir bis zur Ankunft des Autos ein wenig zitterten.
Am Flughafen lernen Poca und ich am Gate einen Barbadian, also einen Bewohner von Barbados, kennen. Er lernte seit einer Weile Deutsch und freute sich wie ein kleines Kind, zum ersten Mal mit Deutschen die Sprache zu sprechen. Wo wir in Deutschland wohnen, haben wir ihm anhand der Fußball-Bundesliga erklärt, das war das Einfachste. Wir hatten unseren Wohnort der Einfachheit halber spontan nach Leipzig verlegt, weil es dort im Gegensatz zu Dresden einen Erstliga-Verein gibt.
Unser Flug hatte eine Zwischenlandung auf St. Martin, was unsere dritte Insel werden sollte. Der Princess Juliana Airport ist für Start und Landung wirklich beeindruckend und gilt wohl nicht umsonst als einer der schwierigsten Flughäfen der Welt.
Angekommen auf Barbados zogen Poca und ich den Jackpot: Wir wurden rausgezogen zum Corona-Test. Alex und Vivi konnten ohne Test durch die Kontrolle. Nun hatten wir alle mehr oder weniger leichte Erkältungssymptome die Tage vorher. Vermutlich, weil wir die Wechsel zwischen karibischem Klima und extrem eingestellten Klimaanlagen in Bussen und Unterkünften nicht besonders gut verkraftet haben. Entsprechend haben wir die zwanzig Minuten Wartezeit bis zum Testergebnis wirklich gezittert und uns die schlimmsten Szenarien ausgemalt. Sicher sein, dass wir keine Corona Infektion abbekommen hatten, konnten wir ja nicht sein. Immerhin war ich eine Woche vorher noch in Moshpits auf dem Deichbrand. Und eine Woche im Quarantäne-Hotel auf eigene Rechnung festsitzen und vielleicht noch eine Woche später den Flug nach Sint Maarten verpassen, wollte ja nun wirklich niemand.
Gefühlt ewig andauernde 20 Minuten später gab es aber das negative Ergebnis und wir durften einreisen. Wir haben dann fix ein paar Barbadian Dollars geholt, ein Taxi zur Unkterunft eingesammelt und uns natürlich mal wieder mit dem Taxifahrer Ricky angefreundet und seine Telefonnummer mitgenommen. Das scheint ein übliches Schema zu sein, von dem Gast und Fahrer profitieren. Wir bekommen ein Taxi per Whatsapp-Message zum gewählten Zeitpunkt direkt vor die Haustür, der Taxifahrer spart den Mittelsmann und hat ‘nen Dollar mehr in der Tasche.
Abendessen war mal wieder schwierig. Das vorher ausgesuchte Restaurant ging um 21:00 nicht mehr ans Telefon, obwohl es offen haben sollte. Bei anderen Lieferdiensten exakt das gleiche Schema. Das ist wohl ein Nachteil der Nebensaison. Ricky hatte uns aber noch den Tipp gegeben, dass die Tankstelle um die Ecke 24/7 geöffnet hat und Essen verkauft.
Und wie sie dort Essen verkauft haben. Nachts war die Tanke ein Fastfood-Restaurant, ein Supermarkt und zugleich ein allgemeiner Treffpunkt, der nebenbei noch etwas Benzin hat. Es gab grob zehn Gerichte, die auf Bestellung “frisch” aus Fertigzutaten zusammengebaut bzw. belegt wurden. Also zum Beispiel Pizzen, Baguettes, Hot Dogs. Sicherlich keine kulinarische Meisterleistung, aber die Pizzen waren für eine 24/7 Tankstelle schon richtig gut. Das ziehe ich jederzeit einem McDonalds oder sonstigem miesen Junkfood-Laden vor.
Tag 1: Rum und Worthing Beach
Wir waren auf Barbados in einer Ferienwohnung direkt an einem Golfplatz gelandet. Insofern nutzten Poca und ich die Ferne zum Verkehr, um eine Runde laufen zu gehen. Dabei waren die Geschwindigkeit und die Entfernung total egal, wir endeten am Rockley Beach und sind dort spontan ins Wasser. Einfach weil es wenig bessere Gefühle gibt, als nass geschwitzt nach dem Sport ins Meer zu springen.
Und bei den Temperaturen kann man sowas auch einfach mal ohne Handtuch machen. Während wir trockneten und eigentlich nur den Sand von den Füßen loswerden wollten, wurden wir von David angesprochen. David war Besitzer einer der Buden an der Promenade und ein Veteran am Rockley Beach.
David war 63 Jahre alt und 17 Jahre zuvor mit lausigen zehn US-Dollarn in der Tasche nach Barbados gekommen. Das Land Barbados bietet Verkaufsbuden am Strand zu günstigen Preisen an. In eine Bude passen Rücken an Rücken zwei Händler. So begann Dave, selbst Schmuck in Form von Armbändern, Halsketten und Ohrringen herzustellen und eröffnete seine Jewelry der Hälfte einer der Strandbuden. Er baute seine Hälfte der Bude innen aus und richtet dort jeden Morgen seinen Stand her. Seither verdient er damit seinen Unterhalt, genießt seine Lebenszeit und verbringt jeden Tag gemeinsam mit seinem Adoptivkind: Susanne, eine ihm zugelaufenen Katze, die er seit 17 Jahren pflegt und hegt. Zwei Gründe, warum Poca mehr als einmal an Davids Stand kleben geblieben war: Rasta-Schmuck und eine Katze.
Zurück in der Unterkunft gingen wir zu viert im Supermarkt um die Ecke einkaufen, um danach zu brunchen.
Aus uns vollständig unerklärlichen Gründen landete eine Flasche Rum und eine Flasche Cola in unserem Rucksack, welche wir nach dem Essen direkt auf das korrekte Mischverhältnis überprüfen mussten.
Gegen halb drei fiel dann der Satz “Oh bin ich voll, das ist geil” von einer anonym bleibenden Person unserer Reisegruppe und wir machten uns auf den Weg zum Strand. Der Worthing Beach war nach normalen Verhältnissen schon echt gut, hatte aber gegenüber dem beim morgendlichen Joggen gesehenen Rockley Beach keine Chance. Wir haben trotzdem das Meer genossen.
Das Wetter war durchmischt, es regnete immer wieder und vor allem hatten wir einen recht starken Wellengang. Wenn das Meer aber so warm ist, dass man bei Regen einfach das Regencover über den Rucksack zieht und schwimmen geht, ist das schon ein krasses Gefühl. Ich glaube, ich hab noch nie vorher so viel Spaß in den Wellen gehabt.
Die Kombination aus kaltem Regen von oben, geschätzt 28 °C warmen türkisem Meer mit sehr flachem Einstieg und den Wellen war großartig. Und da die Tanke vom Vorabend um die Ecke nicht weit war, gab es in den Regenpausen auch Biernachschub.
Zum Abendessen nahmen wir uns von der Tanke neuen Rum und vom Golfplatz Restaurant ein paar Wraps mit.
Tag 2: Rockley Beach
Am nächsten Morgen ging ich vorm Frühstück mit etwas mehr Elan joggen, sodass zumindest mal sieben Kilometer bei einer akzeptablen Pace zusammenkamen. Aber bei den Temperaturen und der Luftfeuchtigkeit ist das schon was anderes als in Deutschland. Aber ein schneller Abstecher zum Rockley Beach durfte auch hier nicht fehlen.
Dort hatte ich eine seltsame Begegnung mit ein paar Locals. Jemand wollte wohl freundlich sein und sagte “Good morning” zu mir. Soweit, so unspektakulär. Man fällt als Weißer in der Nebensaison halt auf und es ist klar, dass man Tourist ist. Ich hatte beim Schuhe ausziehen aber noch meine Kopfhörer im Ohr und entsprechend die Begrüßung nicht gehört. Daraufhin wurde ich dann eher direkt darauf hingewiesen, wie unhöflich ich doch sei, die Begrüßung nicht zu erwidern. Mein freundlicher Hinweis auf die Kopfhörer endete in einem Gespräch mit einem der Jugendlichen über Funkwellen, Bluetooth/Wifi/5G-Wellen, die daraus folgende Impotenz und wie schlimm das doch alles für die Menschheit sei. Der Rest der Gruppe hat versucht, ihren Kumpel zu bremsen, ich hab mir derweil einen kleinen Spaß daraus gemacht, die Diskussion zu führen. Aber da muss man um die Uhrzeit, direkt nach dem Laufen, auf Englisch und zu dem Thema schon Bock drauf haben…
Nach der Diskussion war der Ausflug ins Meer umso besser.
Nach dem späten Frühstück in der Ferienwohnung machten wir uns zu dritt zum Rockley Beach auf, wo wir den Tag am Strand verbrachten. Zu dritt. Wo Poca (mal wieder) steckte, hatte ich bereits erwähnt, oder? Nachdem David ihre heiß geliebten Surfbord-Halsketten repariert hatte, stieß sie zu uns …mit zwei paar neuen Ohrringen, einem neuen Armband und einem Barbados-Kühlschrankmagneten in der Tasche.
Unsere mitgebrachten Hängematten kamen zum ersten Mal zwischen den Palmen zum Einsatz. Auch meine Schnorchelmaske hatte ich dabei und an den richtigen Stellen gab es unglaublich bunte Fische zu sehen. Rockley Beach ist bis heute wohl der schönste Strand, an dem ich jemals war.
Neben der Bude von Dave gab es auch Buden, die für Verpflegung sorgten. Wir hatten schnell unsere Location gefunden: Die Bartenderin war nett, die Cocktails lecker und fair bepreist und wir wurden regelmäßige Kunden. Mein Favorit wurde relativ schnell der Rum Punch.
Als wir uns zum Abendessen im Außenbereich der Pizzeria gegenüber eine weitere Runde Cocktails holten, gab es noch eine Runde gratis Moscow Mule dazu. Angeblich, weil die Mules vom Nachmittag falsch gemixt gewesen wären. Ich hab das mal “Passiv-aggressive Kundenbindung” getauft.
Tag 3: Schnorcheltour in der Carlisle Bay und Oistins Seafood Market
Am Tag vorher hatten wir uns einen Schnorchel-Ausflug in der Bucht vor Bridgetown gebucht. In der Carlisle Bay sollte es Schildkröten und Schiffswracks geben.
Wir hatten kurz überlegt, einen Bus zu nehmen, aber eine Stunde an Stränden und Promenaden entlang der Südküste zu laufen, war definitiv die bessere Wahl. Barbados ist keine große Insel. In der Stunde sind wir grob die Hälfte der Südküste erwandert. Es gab ganz schön viel zu sehen, aber vor allem haben wir Pinky kennengelernt.
Pinky ist Surflehrer (und lehrt nebenbei Psychologie, gibt Musikunterricht und ein paar Kulturstunden - ganz klassischer Surflehrer eben…) und chillte mit seinen Kumpels am Strand. Ich finde die Strategie, in der Nebensaison einfach vorbeilaufende Menschen anzusprechen und sonst den Tag zu vergammeln, recht sympathisch. Super netter Kerl, der Poca und mich davon überzeugen konnte, darüber nachzudenken, Surfen zu lernen. Wir verabredeten uns zumindest mal, auf dem Rückweg der Schnorchel-Tour nochmal zu quatschen. Aber eigentlich war uns schon klar, dass wir surfen wollen :)
Angekommen am Pebbles Beach war noch etwas Zeit, sodass Alex, Poca und ich noch ein bisschen die Gegend erkundeten. Der Weg nach Bridgetown hat mir Lust auf mehr von der Stadt gemacht.
Gegen 13:00 ging es dann zur Einweisung und Equipment-Ausgabe. Die Einweisung erwies sich als sehr pragmatisch.
Can you swim? Ok, good. That’s the hard part. You’ll figure out the rest.
Pocas Stummelflossen wurden kurz belächelt, gegen Leihflossen in richtiger Länge getauscht und schon ging es aufs Boot.
Der erste Stop war ein Teil der Bucht, an dem viele Meeresschildkröten unterwegs waren. Wir wurden gewarnt, dass die Tiere sehr an Menschen gewöhnt seien und keine Angst haben. Und wenn man ihnen einen Finger reicht, dieser auch kurz versucht wird, zu futtern, was wohl schmerzhaft sein soll. Insofern beschränkten wir uns aufs Schauen, wobei ich schon ein paar der Tiere am Panzer berühren durfte.
Eine wunderschöne Erfahrung, die auf dem Video wirklich nicht ansatzweise rüber kommt. Aber immerhin hat der erste Ausflug mit der geliehenen Actioncam (Danke Philipp!) für eine Erinnerung gesorgt:
Nach ca. 30 Minuten mit den Schildkröten ging es kurz zurück an Bord, wir fuhren ein paar Meter zu den drei Schiffswracks in der Carisle Bay. Super cool, wobei ich mir an dieser Stelle gewünscht hätte, ein besserer Schwimmer bzw. Schnorchler zu sein.
Die Vollgesichtsmaske macht das Schnorcheln auch für totale Anfänger super einfach. Aber wenn man dann mal tauchen will, ist es echt schwierig, runter zu kommen. Ich hatte es dann irgendwann einigermaßen raus, wie ich das tun muss. Aber ich verstehe mittlerweile, warum die richtigen Schnorchler nur eine minimale Maske im Gesicht haben. Einerseits wesentlich weniger Auftrieb durch weniger Luft darin, andererseits kann man sich an die Nase zum Druckausgleich greifen. Ohne den mal eben drei bis vier Meter schnell herunter zu tauchen, ist echt schmerzhaft. Zumindest Alex, Poca und Vivi berichteten, dass sie es mit der Maske garnicht nach unten geschafft haben.
Die Wracks zu erkunden, war echt beeindruckend. Teilweise konnte man noch alte Technik erkennen, teilweise war das Schiff komplett mit Pflanzen zugewuchert.
Beim dritten Wrack hatten wir sogar das Glück, einen Rochen sehen zu können.
Nach der Tour sind wir am Strand an der Südküste zurück in Richtung Rockley Beach und natürlich bei Pinky vorbei. Wir haben uns für elf Uhr am nächsten Tag zu einer Unterrichtsstunde Surfen verabredet und so noch ein bisschen über die Welt geredet. Er empfahl uns für den Abend den Oistin’s Fish Fry. Jeden Freitag ist dort eine Kombination aus Seafood Market, Kunstmarkt und Musik.
Wir ließen den Tag am Rockley Beach mit ein bisschen Schwimmen und zwei Drinks von der Bar ausklingen. Ich hatte für mich schon vorher beschlossen, Oistin’s zum Abendessen zu besuchen. Poca entschied sich, mitzukommen. Pinky hatte schließlich behauptet, es gäbe dort auch vegetarisches Essen ohne Fisch.
Wir nahmen also die fünf Kilometer Fußweg auf uns. Bewegung kann man ja nie genug haben.
Der Weg war tatsächlich ganz nett, wir kamen zu zweit leicht angetrunken ins Quatschen. Angekommen vor Ort stellte sich heraus, dass es wohl kein streng vegetarisches Essen gab. Insofern teilten wir uns zu zweit eine Portion Mahi-Mahi mit Rice and Beans (oder wie man in Jamaica sagt: Rice with Peas), Mac and Cheese und etwas Salat. Mega lecker, sowohl der Fisch für mich als auch die Beilagen für uns. Und das zu einem echt fairen Preis.
Dazu gab es eine weitere Runde Rum Punch, was ein kleines bisschen den Ausgang des Abend einläuten sollte. Während wir uns das Handwerk anschauten, die Musik genossen, T-Shirts kauften und Menschen mit Affen auf dem Arm kennenlernten, probierten wir noch an dem einen oder anderen Stand, ob der Rum Punch auch dort gut gemischt ist.
Gut gemischt war er. …vor allem für Pocas asiatische Leber… Wir machten uns gegen Mitternacht zu Fuß auf den Rückweg, den wir möglicherweise ausgemessen hatten und waren erst nach 1:00 in der Unterkunft, weil wir doch etwas betrunken waren. Ein echt schöner Abend, der eben ein klein wenig eskaliert war.
Tag 4: Surfen lernen
Leicht verkatert schafften wir es erst um elf aus der Wohnung raus, sodass wir erst um zwölf bei Pinky zum Kurs waren. Aber er war ja selber schuld, dass er uns am Abend vorher zu so einem Markt schickt :)
Nach ein paar Basics an Land zur Technik des Aufstehens ging es auch schon ins Wasser. Wir sollten immer wieder mit dem Board zu Pinky hinpaddeln, er gab uns abwechselnd im richtigen Moment Anschub, damit wir auf der Welle surfen konnten.
Nach zwei, drei Versuchen stellte sich der erste Erfolg ein. Zumindest bei mir, ich schaffte es einige Meter. Poca musste leider abbrechen. Da waren die Kehle wieder mal größer als die Leber… Ihr Magen spielte auf Grund des Vorabends nicht mehr mit. Man lag auf dem Surfboard ja tatsächlich die meiste Zeit auf dem Bauch.
Ich machte also allein weiter, was einfach mega anstrengend war. Ich bin eh nicht so der Oberkörper Mensch, sondern eher fit in den Beinen. In diesem Fall sollte ich aber die nächsten drei Tage Muskelkater vom Paddeln auf dem Surfboard haben.
Auf jeden Fall schaffte ich es einige Male, die grob 100 Meter bis fast an den Strand zu surfen. Wenn man einmal das Aufstehen geschafft hat, ist es “nur noch” die Balance zu halten und in die Knie zu gehen. Macht man sich zu gerade, verliert man sehr schnell Geschwindigkeit.
Soweit so gut. Der nächste Schritt zum eigenständigen Surfen wäre dann, mit den Wellen zu paddeln, im richtigen Moment auf Geschwindigkeit zu sein und aufzustehen.
Das dürfte deutlich schwieriger und vor allem noch anstrengender sein.
Aber für den ersten Tag war ich super zufrieden.
Poca war verständlicherweise unzufrieden, sodass sie noch vor Ort beschloss, am nächsten Tag wiederzukommen. Bisher hatte sie es ja nur zu knapp 20 Minuten Unterricht gebracht.
Nach dem Surfen sprach uns Alan an. Wir hatten auf dem Hinweg zu den Trockenübungen schon das Stativ und die Kamera mit dem riesigen Teleobjektiv gesehen. Alan ist professioneller Fotograf, der unter anderem mit dem Fotografieren von Pinkys Schülern Geld verdient. Ich bin vermutlich noch nie so freundlich und lieb von jemandem angesprochen worden, der mir ungefragt etwas verkaufen wollte.
Zuerst die Frage, ob es überhaupt okay sei, dass er uns fotografiert hat und das Angebot, sofort alles zu löschen, wenn wir das wollen. Danach das Angebot, uns die Bilder einfach per Email zu schicken. Wenn sie uns gefallen, sollten wir einfach in den nächsten Tagen vorbeikommen und ihm 60 BBD, also knapp 30 € für alle Bilder geben. Die Bilder waren schon beim gemeinsamen Anschauen auf dem Kameradisplay so gut, dass uns klar war, dass wir sie kaufen würden.
Alan war einfach super nett, Poca hatte später am Abend per Mail schon die Bilder ihres zweiten Tages Surfen mit dazu gedealt.
Wir trafen auf Alex und Vivi am Rockley Beach, chillten am und im Wasser, holten noch eine Runde Drinks (nein, für Poca gab es keinen Alkohol!) an der üblichen Bar und diskutierten das Abendessen. Leider diskutierten wir so intensiv, dass wir den sich androhenden Regen etwas unterschätzt hatten. Innerhalb von wenigen Sekunden wechselte das Wetter von leicht bedeckt auf strömenden Regen und Weltuntergangsstimmung.
Wir flüchteten unter das Vordach einer seltsamen Sportsbar und warteten den Regen ab. Poca war nasser als wir anderen drei, sodass wir zu dritt in das Restaurant der Wahl starteten und Sie nachkommen sollte.
Das Essen war super, vor allem der “Electric Blue Iced Tea” hatte es mir angetan. Einen zweiten braucht man davon allerdings nicht :)
Tag 5: Bridgetown
Alex hatte an den Tagen zuvor den Hastings Farmers Market in der Nähe aufgetan, welcher am Wochenende geöffnet sein sollte. Wir hatten uns vorgenommen, dort frühstücken zu gehen und ggf. Lebensmittel fürs Kochen einzukaufen.
Der Markt war, gelinde gesagt, enttäuschend. Es gab einen Stand mit Obst und einen mit T-Shirts. Allerdings hatte das ansässige Cafe geöffnet. Dort hab es wirklich gutes Frühstück. Der Smoothie “Monkey Business” war großartig, die Eggs Florentine unter den besten, die ich jemals gegessen habe. Die Idee, Süßkartoffeln aus lokalem Anbau dazu zu servieren, war echt gut.
Gestärkt trennte ich mich von der Gruppe und machte mich auf den Weg nach Bridgetown.
Die Hauptstadt zu erkunden war ganz nett, aber jetzt auch nicht unglaublich beeindruckend. Es gab relativ schmucklose Kolonialbauten zu sehen, aber auch bunte Wohnviertel aus irgendwie zusammengebauten Häusern. Ein Cricketfeld durfte natürlich nicht fehlen und auch eine wenig beeindruckende Tafel auf dem Rihanna Drive mit Bild der Künstlerin gab es zu sehen. Da gibt es Gegenden, wo das Unesco Weltkulturerbe beeindruckender anzuschauen ist.
Auf dem Rückweg von Bridgetown am Strand entlang traf ich Poca, die an diesem Nachmittag ihr Hawaiian Kazuma auch endlich gebändigt bekommen und sich nach der Surfstunde bei Alan festgequatscht hatte. Ich setze mich dazu, wir haben uns noch locker eine weitere Stunde unterhalten. Über Reisen, Fotografie, Stereotypen von Nationalitäten, was wer wo schon erlebt hat etc.
Es wird der Moment kommen, wo die politische Situation wieder Reisen nach Venezuela zulässt. Nach Alans Erzählungen muss ich dort irgendwann hin. Nur aktuell ist es eher ungünstig, wenn man heile zurückkommen mag. Er war dort lange als Touristenführer für Gewitter und deren Fotografie unterwegs. Die Gewitter sollen dort seinen Erzählungen nach sehr blitzreich und vor allem regelmäßig sein, sodass das entsprechend beeindruckend sein dürfte.
Poca und ich verabschiedeten uns von Alan, nahmen uns vor, in Kontakt zu bleiben und machten uns auf zur Bar am Rockley Beach. Dort war diesmal der Chef selber da, mit dem wir auch gleich ins Gespräch kamen. Die Erkenntnis war, dass für uns Europäer die Strände auf Barbados die schönsten der Welt sind. Für die Barbadians aber einfach ganz normal. Dafür lieben sie ihre Erdnüsse, die der Bar-Chef sogar mit uns geteilt hatte.
Im Gegenzug wäre wohl jeder Barbadian von einer für uns langweiligen Altstadt oder dem Blick auf einen richtigen Berg schwer beeindruckt. Immerhin war der Barmann einmal in seinem Leben in Spanien. Die Aussage “the beaches where ok, the party was ok. But I froze to death being in the water” fand ich cool. Das Meer kann eben nicht überall 28°C warm sein.
Wir holten Alex und Vivi in der Unterkunft ab und gingen in dem gleichen Restaurant wie am Vorabend essen. Dort gab es im Eingangsbereich einige Bilder und Fotos aus verschiedenen Epochen der Popmusik zu sehen. Unter anderem einen Textausschnitt eines meiner all-time favorite songs.
Tag 6: Mount Gay Rum Distillery
Für den letzen Tag auf Barbados hatten wir uns eine Führung durch die Mount Gay Distillery gebucht. Also eben nicht nur eine Runde durch das Visitor Center in Bridgetown, sondern durch die richtige Destille, wo der berühmte Rum hergestellt wird. Sehr praktisch für uns und ein bisschen ein Vorbote auf das Tasting zum Abschluss: Es war eine Abholung und eine Rückfahrt zur Unterkunft inklusive.
Wir wurden also morgens von einem Taxi abgeholt und hatten beim Einsammeln der anderen Gäste die Chance, den nordwestlichen Teil der Insel sehen zu können. Die Fahrt führte entlang der Küste an sehr teuer aussehenden Clubs für Touristen vorbei, aber auch durch Dörfer, wo am Straßenrand der frisch gefangene Fisch ausgenommen wurde.
Angekommen an der Destille, wurden wir bis zur Ankunft aller Teilnehmer in einem Warteraum geparkt. So wie der Raum ausgestattet war, könnte ich mir den auch zu Hause im feudalen Westflügel meiner Wohnung als Lesezimmer vorstellen :)
Als alle da waren, wurden wir von unserem Guide Tina mit knallpinken Schutzhelmen ausgestattet, gebeten unsere Masken aufzusetzen und es ging los zum Brunnen.
Der Brunnen war jetzt nicht besonders spannend, aber dort kommt das gesamte Wasser für die Rumproduktion wohl her. Der relevante Fun-Fact auf dem Weg war allerdings die Herkunft des “Mount” im Namen “Mount Gay”. Man merkte auf der Hinfahrt, aber auch beim Blick in die umliegenden Felder, dass Barbados eine sehr sehr flache Insel ist und gar keine Berge hat. Da vor dem Erfinden der Prozesse für ordentlichen Alkohol die Leute einfach alles gesoffen hatten, was irgendwie ballert, waren sie wohl relativ benebelt und haben die kleine Erhöhung mit dem Brunnen drauf als “Mountain” bezeichnet, weil sie mehr als 50 Meter hoch ist.
Spannender wurde es, als wir danach in ein Gebäude gingen, in dem Melasse gelagert wurde. Melasse ist ein Nebenerzeugnis bei der Zuckerproduktion aus Zuckerrohr.
Das Zeuchs sieht in etwa so aus wie Teer, welcher Blasen geschlagen hat. Und verhält sich wohl wie Treibsand, was reinfällt, bleibt halt drin. Soll wohl hygiensich okay sein, ich hab die Begründung dafür aber nicht verstanden.
Mittlerweile kommt nur noch 30% der Melasse von Barbados und 70% aus dem Rest der Karibik. Die Menge an Zuckerrohr auf Barbados reicht einerseits schon eine ganze Weile nicht mehr für die Menge an nachgefragten Rum. Andererseits hat sich der Geschmack der Barbadian Melasse durch den veränderten Prozess so verändert, dass er viel zu intensiv geworden ist. Insofern muss Caribbean Melasse zugemischt werden, welche eher schwach im Eigengeschmack ist.
Im nächsten Bereich konnten wir die beiden Melasse-Sorten pur probieren. Beides ein bisschen ekelhaft, weil es einfach ein unglaublich intensives Vorprodukt ist. Aber geschmacklich deutlich zu unterscheiden: Barbadian Melasse schmeckt wie eine sehr sehr reife Banane, Caribbean Melasse ist einfach nur süß.
Weiter ging es vorbei an der Gärung zur Destille, dem Kernprozess der Rumherstellung. War jetzt alles nicht so unglaublich spannend, wenn man vorher schon ein grobes Verständnis davon hatte, wie ein Brand beliebiger Sorte entsteht. Aber die großen Kessel live zu sehen, war cool. Und es existiert ein Rohr seit dem Bau der Destillerie, welches in einem Wasserband liegt, um das Destillat zu kühlen. Das Rohr ist so alt, dass man eigentlich nur noch Algen sehen kann. Leider waren Fotos eigentlich überall verboten.
Im Normalfall wird in mindestens zwei Iterationen aus dem Vorprodukt mit wenigen Prozenten Alkohol ein Brand mit über 80% Alkohol, welcher dann mit Wasser verdünnt zu dem wird, was in den Fässern eingelagert wird. Das nennt sich aber noch nicht “Rum.”
Uns wurde noch eine weitere Destillerie gezeigt, in der statt mehreren Iterationen “Continuous Distillation” betrieben wird, bis der Alkoholgehalt erreicht ist. Der Witz zu “Continuous Delivery” und Alkohol für Software-Entwickler schreibt sich praktisch von selbst, aber ich spare mir das mal. Auf jeden Fall gibts diese CD Distille seit 2018, sie ist eine von nur dreien auf der Welt und das Ergebnis wird in noch keinem Rum von Mount Gay verwendet.
Nächster Stop: Das Fasslager. Uns wurden die verschiedenen Lagerarten des namenlosen Zeuchs erklärt, welches nach dem Blending Prozess endlich “Rum” genannt wird. Primär werden Bourbon-Fässer verwendet. Mount Gay kauft alle, die man irgendwie am Markt bekommen kann. Kein Wunder, dass die knapp sind. Die riesige Whisky-Industrie braucht diese ja auch. Und niemand trinkt freiwillig Bourbon.
Nun kommt der oder die Master Blender(in) ins Spiel. Trudiann Branker ist die erste Frau mit dem wichtigsten Job der Destille und genießt wohl weltweite Anerkennung. Auf jeden Fall ist es der Job von ihr und ihrem Team von Apprentices, eine bestimmte Sorte von Rum immer wieder exakt zu produzieren, in dem die verschiedenen Rohprodukte aus den Fässern im richtigen Verhältnis gemischt werden.
Tina hatte also knapp zwei Stunden echt viel erzählt und es war sowohl spannend als auch lehrreich für mich. Aber nun ging es zum Tasting.
Während sie vier Flaschen auf den Tisch stellte, sagte sie “If anyone asks, you had only two rums!”. Der sicherlich nicht spontan entstandene Witz sorgte für Gelächter in der Gruppe, wurde aber auch kurz danach erklärt. Die Sorten waren
- Spirit: Alkohol zum Mischen für Cocktails, die einfach nur Alkohol brauchen. Hat wenig eigenen Geschmack.
- Eclipse: Basisgeschmack für guten Rum. In jedem Mount Gay Rum enthalten, aber auch der Benchmark für jeden Rum am Markt
- Black Barrel: Der erster echte Rum für Genießer zum pur Trinken
- XO: Premium Rum. Sehr sehr leicht, aber doch intensiv im Geschmack.
Da, zumindest laut Tina, niemand die ersten beiden ernsthaft als Rum bezeichnen würde, hatten wir am Ende vier Drinks, aber doch nur zwei Rum.
Der Eclipse ist vermutlich ein besserer Havana Club 3 Und den trinkt ja nun wirklich niemand ohne Cola.
Mit verschiedenen Techniken, von Ausatmen zu fast Gurgeln, hat man wirklich spannende Sachen schmecken können. Leicht angeheitert kauften wir noch drei Flaschen zu einem guten Kurs für den zollfreien Export nach Deutschland und ließen uns vom Taxi zurückfahren.
Wir sind dann nochmal kurz an den Strand. Ich habe noch einen Unterwasserfelsen erschnorchelt, an dem es super viele bunte Fische zu sehen gab. Auf dem Rückweg gab es an dem Food Court, den wir nun vier Tage immer erst nach Schließung passiert hatten, eine Rice Bowl. Endlich kam ich zu Ackee mit Saltfish, was auf Jamaika ständig ausverkauft war.