Prolog: Anreise am Mittwoch

Morgens um kurz nach zehn sollte es entspannt in Lübbecke losgegen. Ich war um eins mit Flo und Lena am letzen Autohof vorm Festival verabredet. Für das Festival hatte ich mir den großen Kombi von Arne und Mel geliehen, um alles mitzubekommen.

Alles war gepackt, ich hatte als letzte Tat gerade durch die Beifahrertür meine Wasserflasche auf den Sitz und den Schlüssel auf die Mittelkonsole gelegt. Beifahrertür geschlossen, ums Auto herum gegangen und festgestellt, dass das Auto abgeschlossen ist. Mit dem Schlüssel drinnen. Mir ist bis heute unklar, wie das passieren konnte.

Glücklicherweise war Mel zuhause, sodass wir dann gemeinsam in deren Wohnung den Ersatzschlüssel suchen konnten. Der war nämlich seit einigen Wochen weg. Nach einer halben Stunde erfolgloser Suche kam so langsam Panik auf. Wir waren kurz davor, den Händler zum “legalen Knacken” anzurufen. In einem letzen Geistesblitz fanden wir dann aber doch den Schlüssel in einer Jacke. Also ging es um kurz nach elf dann endlich los.

Der Weg auf das Womo Camp Central war entspannt. Wir hatten praktisch freie Platzwahl. Die zehn Euro Aufpreis für die Frühanreise machen ja zwei Dinge: Einerseits wird die Anreise für alle entzerrt, andererseits kann bzw. muss man einen Tag länger Festivalcamp-Feeling genießen.

Soweit so gut. Mit den zwei Autos mussten wir ja nichts schleppen, sondern einfach nur aufbauen. Die Entscheidung, Wohnanhänger und Wohnmobil zu Hause zu lassen und mit zwei Pkw und Zelt zu fahren, war zwar neu, aber ganz gut. Spart echt Arbeit und mit einer Gasflasche und Absorberkühlbox wird auch das Bier nicht warm.

Nachdem die Zelte standen und wir das Pavillion in der Mitte grob stehen hatten, kamen wir bei bester Laune ins quatschen. Der Wind muss diesen Moment erahnt haben und griff mit einer Böe an. Einen Moment später war das 20 Euro-Billigpavillion einmal um sich selbst und den nebenstehenden Bauzaun gewickelt, denn die Abspannung war natürlich noch nicht am Start. Also machten wir drei uns auf zu einer langen Wanderung zum Festival-Aldi. Da das Infield am Mittwoch natürlich noch nicht offen hatte, mussten wir das Wegbier ganz außen herum tragen.

Angekommen am Supermarkt, stellte sich heraus, dass ein neues Pavillion in genauso mieser Qualität absurd teuer war, sodass wir uns für zwei Rollen Gaffa und etwas Redneck-Engineering entschieden. Zurück am Zeltplatz angekommen, waren Alex und Vivi auch mittlerweile angekommen, nachdem sie mit dem Zug nach Cuxhaven und dann mit dem Shuttle gefahren waren.

Mit ein paar übrigen Stangen aus Alex Ersatzzelt und dem Gaffa war der Pavillion tatsächlich gerettet und hat auch bis zum Ende durchgehalten.

Es wurde in der Abendsonne gelegen, Essen auf dem Gaskocher zubereitet und das eine oder andere Bier getrunken. Irgendwann sind wir dann auch los, um die Zeltplatz-Partys zu erkunden. Das war aber alles musikalisch erstaunlich schlecht. Bösartiges Elektro-Geballer, was selbst angetrunken nicht tanzbar war.

Schön war allerdings, dass ich mal wieder auf meinen Irie Révoltés-Pullover angesprochen wurde. Dieses Mal war mit Lena sogar noch ein weiterer Pullover am Start. Beim richtigen Publikum bin ich immer wieder begeistert, was der Pulli auslöst. Aber trotzdem haben wir es nicht wirklich lange ausgehalten und sind für einen Frühanreise-Abend sogar pünktlich ins Bett.

Tag Eins: Donnerstag

Donnerstag ist ja der reguläre Anreisetag, vor 18:00 Uhr gibt es also nirgends Musik.

In der Nacht haben wir es noch einigermaßen ignorieren können, aber am Tag konnten wir unseren Erzfeind des Festivals ausgiebig kennenlernen: Unsere Nachbarn hatten einen ganzen Bauwagen mitgebracht, der natürlich von einem Strom-Mopped betrieben wurde. Dieser enthielt einen Kompressor, welcher ein extrem lautes Nebelhorn antrieb. Die Jungs dort waren richtig stark am Hahn, sodass es öfter vorkam, dass jemand (vermutlich mit dem Kopf) auf dem Auslöser einschlief.

Super super nervig. Andere Nachbarn hatten aber, wie wir über den Tag erfuhren, schon morgens um acht eine Ansage gemacht:

“Wenn ihr das Horn noch einmal nachts benutzt, zerstören wir euer Camp. Ohne Rücksicht auf Verluste”.

Das hat gewirkt. Zumindest nachts war das Teil nun ruhig. Diesen und die weiteren Tage mussten wir es aber doch irgendwie ertragen. Den immer wieder aufkommenden Plan, nachts die Druckluftleitung zu zerschneiden, haben wir nie durchgezogen.

Wir brachten den Tag ansonsten mit Essen, Glitzer-Tattoos und ziemlich viel Flunkyball rum.

Um sechs starteten Flo, Lena und ich dann ins Palastzelt, welches wir bis halb drei nicht mehr verlassen sollten. Für uns war es das erste Mal, den üblichen Donnerstags-DJ “Beauty and the Beats” nicht mitzunehmen. Der Musikgeschmack ist über die letzen Jahre einfach härter geworden, sodass es im Palastzelt echt viele neue Möglichkeiten für gute Musik gibt. Und live ist fast immer besser, als Popklassiker auf einem dauerhaften 4-on-the-floor Beat im Diskofox-Tempo zu feiern.

Clowns

Die Clowns eröffneten das Deichbrand. Und irgendwie war das Punk. Aber an mehr von dem Konzert erinnere ich micht nicht mehr. War wohl alles nur so mittel.

Deine Cousine

Ich hatte in der Woche vorher mit Arne noch über diese coole Background-Sängerin geredet. Er hatte sie bei Udo Lindenberg live gesehen, war begeistert und hat dann ihren Namen herausgefunden. Beim Reinhören stellte sich heraus, dass die Frau echt Power hat und auch solo spannend ist. Netter Zufall, dass sie nun den zweiten Slot beim Deichbrand eingenommen hat.

Die Frau hatte eine super Bühnenpräsenz, einen Look wie eine junge P!nk und dazu eine starke Stimme. Musikalisch ganz cool, wenn auch nicht genau mein Geschmack. Aber wenn ich Lust habe und die Musik nur grob passt, kann ich fast alles feiern. Bei den etwas härteren Songs begab ich mich zum Aufwärmen in die erste, süße, liebe Anfänger-Moshpit dieses Wochenendes.

H-Blockx

Der deutsche Crossover-Klassiker aus Münster. Ich kannte deutlich mehr Songs, als ich erwartet hätte. Und die Jungs machen musikalisch einen richtig guten Job. Ich hatte aber Blut geleckt und war praktisch ab Song 3 den ganzen Gig alleine in der Moshpit unterwegs.

Mono Inc

Mir war vor dem Auftritt nicht so ganz klar, was Dark Rock eigentlich genau meint. Aber wenn es so klingt, bin ich jetzt Dark Rock Fan. Mono Inc hatte nicht nur ein stylisches Auftreten und eine extrem charismatische Drummerin, sondern hat richtig abgeliefert.

Das Moshen hab ich mir mal gespart, weil ich schon etwas müde war. Stattdessen konnten Lena und ich in der ersten Reihe neben den eigenen Songs einige Covers erleben. Von den eigenen Songs kannte ich vorher praktisch nichts, aber vieles war echt eingängig.

Das Akustik-Cover von Iggy Pops “The Passenger” war ein Solo-Ding vom Sänger, was natürlich alle zum Mitsingen animiert hat.

Krass gut war aber das Drum-Cover von “Das Boot”. Der Sound war richtig gut, die Light-Show am ausgestatteten Drum-Set auch.

Ich hab Mono Inc nach dem Festival nochmal im Stream gehört. Die Studioaufnahmen sind gut, aber machen bei weitem nicht so Spaß wie die Truppe live.

Callejon

Ich hatte in den letzen Wochen vorm Festival relativ viel Callejon gehört. Allerdings den Mainstream-Einstieg über deren beiden Cover-Alben “Man spricht Deutsch” und “Hartgeld im Club”, wovon ich das erstere initial aus Maesches Auto kannte.

Aber auch die eigenen Songs können was, das ist richtig guter Metalcore. Dachte ich. Man muss sagen, dass die Truppe live zwar richtig Spaß gemacht hat, musikalisch aber nicht so richtig richtig gut war. Das war zumindest mein Eindruck bei den ersten paar Songs.

Ab dort war ich in einer echt harten Moshpit unterwegs, die aber mega Spaß gemacht hat. Da mobilisiert man nochmal alle Kräfte.

Ansonsten muss man noch sagen, dass der Sänger unglaublich dankbar war, wieder live spielen zu können. Es war schon fast süß, wie er sich, geschminkt wie ein Waschbär, ständig beim Publikum bedankt hat. Um dann einen Moment später zu growlen wie ein Irrer.

Imminence

Klang beim Reinhören zu Hause schon richtig gut, war live noch viel besser. Metalcore mit Geige in einer musikalisch grandiosen Umsetzung. Was der Gitarrist da veranstaltet hat, war einfach aller erste Liga.

Viel mehr gibts gar nicht dazu zu erzählen, um 2:30 sind wir erschöpft von über sechs Stunden hartem Feiern zu großartiger Musik zurück ins Camp. Was ein erster Tag im Palastzelt!

Tag Zwei: Freitag

Der Freitag begann nach dem typisch kurzem Festivalschlaf damit, dass unser Nachbar noch etwas mit seinem geliehenen Sprinter holen fahren wollte. Normalerweise fährt dieser Mensch wohl einen Kleinwagen, auf jeden Fall hatte ich nach seinem Ausparken einen demolierten Heckscheinwerfer und Stoßstange. Hat alles ganz schön genervt und auch unnötige Arbeit und Klärungen über das Wochenende mit sich gezogen, aber ist im Endeffekt gut ausgegangen. Abharken, weiter machen.

Bei leicht besserem Wetter als am verregneten Morgen verbrachten wir den Tag bei Volleyball und Flunkyball mit den Nachbarn.

Le Fly

Nach dem wir ganz kurz um 14:00 bei Bilbao reingeschaut hatten ging es um kur vor drei rüber zur Waterstage. Dort begann der Tag mit dem Konzert, auf das ich mich vermutlich am meisten im Vorhinein gefreut habe: Die Deichbrand Veteranen “Le Fly”, die ich wohl mittlerweile ca. 15 mal Live gesehen habe und eine meiner Lieblingsbands sind.

Entsprechend eskalativ bin ich die Sache angegangen. Die gesamte Zeit durch gesprungen, gesungen und in jeder Moshpit und jedem Circle vorne mit dabei. Im Ergebnis gibt es wenig Fotos, ich hatte mega Spaß, vermutlich eine kleine Gehirnerschütterung und war nach dem Konzert völlig fertig. Und das war es trotzdem jede Sekunde wert, voll durchzuziehen. Die Jungs machen live einfach so einen guten Job, da muss man einfach Spaß haben.

Nur man muss vielleicht nicht gaaaanz der allererste in der Moshpit sein. Denn dort rennt man einfach Vollgas in eine Wand. Dann spart man sich auch die blauen Flecken und Ibus nach dem Konzert.

Rogers

Ich wusste ja, dass die Jungs Spaß machen. Aber dass sie so viel Spaß machen, hab ich nicht erwartet. Ehrlicher, guter, witziger, deutscher Punk. Der Sänger war selber ständig am Crownsurfen.

Und obwohl ich nach der Le Fly-Nummer eigentlich noch völlig platt war, konnte ich es nicht lassen, in der doch etwas härteren Moshpit mitzumischen. Wenn auch etwas zurückhaltender, wie man es eben eigentlich machen sollte.

Ein witziger Abschluss war Gigi D’Agostinos “I’ll fly with you”, was nach dem Konzert schrecklich-schön von der erschöpften Menge mitgesungen wurde.

Le Fly am Merch

Wenn man bei den Konzerten am Vormittag zuhört, oder das Deichbrand kennt, weiß man, dass gewisse Bands noch eine Merch-Session machen. Dafür gibt es sogar einen Timetable, der zwar dort hängt, aber nirgends online ist. Also immer ein kleiner Insider-Tipp für Fans der Vormittagsbands.

Nach dem Rogers-Konzert waren wir kurz im Camp, um zu chillen. Das hat gar nicht funktioniert, weil noch eine Flunkyball-Rechnung offen war. Danach allerdings ging es nach schnellem Essen zum Merch-Stand.

Die beiden Le Fly-Sänger waren alleine und sichtlich betrunken, hatten also nach ihrem Konzert wohl etwas Spaß. Entsprechend war es schräg und musikalisch gar nicht so gut, aber enorm witzig. Wer schonmal beim Le Fly-Heimspiel-Konzert auf St. Pauli war, weiß, was gemeint ist. Es wurden ein oder zwei Hits gespielt, aber ansonsten gab es schonmal Material vom nächsten Album zu hören. Ich freu mich drauf.

Lenas und mein erklärtes Ziel war, unser Foto von 2017 mit Sänger Schmiddelfinger nochmal nachzustellen, was wir auch geschafft haben. Selbst wenn ich leicht verstrahlt schaue.

Super Sache, dafür mussten wir leider Schmutzki auslassen. Die waren parallel zur Merch-Session im Palastzelt, aber alles geht eben nicht.

Guano Apes

Auf ging es zu den Apes, wo Flo und Alex auch wieder am Start waren. Ich hab ja irgendwie nichts erwartet, sondern gedacht, dass der Skaterpunk von vor 20 Jahren ganz schön angestaubt sein wird.

Was hab ich mich getäuscht! Die Sängerin Sandra Nasić hat eine unfassbare Bühnenpräsenz und die alten Hits funktionieren auch heute noch. Musikalisch im Lead ist bei der Truppe übrigens der Bassist, der auch die meiste Bühneninteraktion neben der Sängerin macht. Gitarre und Drums wirken eher wie Beiwerk.

Ein weiteres Highlight war ein rockiges Cover von Eminems “Lose Yourself”:

The Struts

Nichts gegen Clueso, aber wir haben uns die Mainstage gespart und sind ins Palastzelt zu The Struts.

Dort gabs Glam Rock, der auch 40 Jahre alt sein könnte. Ich hatte mich mit einer der Fans unterhalten und wir waren uns uneinig, ob der Sänger eher Mick Jagger von den Stones oder Michael Jackson verkörpert. Wie auch immer sie auf Michael Jackson kam, als die Struts dann “Jumping Jack Flash” coverten, musste sie mir recht geben.

Echt witziges Konzert und eine schöne Abwechslung.

Kraftklub

Wir sparten uns Bausa (mein Gott war das bisschen, was wir beim Gehen hören durften, schlecht) und sind fix zum Camp.

Leider setzte nach dem Tag eine gewisse Lethargie ein, sodass wir zu spät los sind und es nicht mehr zu Kraftklub in die erste Welle geschafft haben. Wer etwas Festival-Erfahrung hat, weiß, dass man ganz vorne mehr Platz als in der zweiten Welle hat. Und vor allem hat man dort keinen Durchgangsverkehr.

Nun standen wir also relativ weit weg. Es war eng, ständig wollte jemand vorbei und von der Bühne gesehen hat man auch nichts. Klar gibts Leinwände, aber das macht einfach nicht wirklich Spaß.

Nachdem Kraftklub irgendwann vor 2015 dem Deichbrand einen Antrag gemacht und 2017 das Festival geheiratet hatte, feierten wir dieses Mal die Silberhochzeit. Schön, wenn sich so ein Joke über mehrere Jahre und Festival-Auftritte hält.

Was man mitbekommen hat war eine solide Show, die Jungs sind schon gut. Aber an unserer Steh-Position hatte ich nicht wirklich Spaß und bin nach einer Stunde los. Ärgerlich, aber ein bisschen selbst schuld. Bei einem Headliner geht einfach nur noch vorne drin oder gleich am Camp bleiben. Alles andere ist inakzeptabel.

Ich selbst war dann auch zu müde und für den Tag auch gut bedient, um mich nochmal zu Apache 207 und danach Afrob aufzuraffen. Es gab für mich noch ein paar Bier mit den Nachbarn am Camp, während Lena und Flo noch unterwegs und Alex und Vivi schon schlafen waren.

Der Samstag

Den Samstagmorgen haben wir etwas am Camp vergammelt, aber zumindest ein paar nette Dinge wie Herrn Hasselhoff und einen schicken Landy auf dem Zeltplatz gesehen.

Auf dem Weg zur ersten Band haben wir Finch auf der anderen Bühne gehört. Da hätte man als Scooter Fan wohl hingehen sollen. Soweit wie ich das sehen konnte war es dort randvoll und die Leute haben eine gute Party gefeiert.

Monsters of Liedermaching

Die sechs Liedermacher, die dieses Mal nur zu viert waren. Wir waren in voller Besetzung zu fünft vor Ort, also sogar mehr als auf der Bühne waren.

Immer direkt, immer albern, immer mit intelligenten Wortwitzen bei der Wahrheit. Es war wie immer super witzig mit den Jungs, es gab viel zum Mitsingen und am Ende gröhlten alle seelig “Kola Korn”. Emfpehlenswert! Also die Monsters und, wenn man im Norden aufm Land unterwegs ist, auch Kola Korn.

Danach bin ich nochmal zurück zum Camp, weil ich nicht so richtig Lust auf Querbeat hatte. Hab mal wieder eine nette Runde Flunkyball gespielt. Beim laufen zu Antiflag habe ich die letzen zwei Songs von denen gehört und mich drüber geärgert, nicht hingegangen zu sein. Naja, schade.

Anti-Flag

Wenn sich eine amerikanische Band so nennt wie diese und man weiß, wie sehr die Amerikaner ihre Flagge lieben, kann es sich hier nur um Punk handeln. Es wurde eindeutig politisch Stellung bezogen, die Aufhebung von Roe v. Walde des SCOTUS war ja nicht besonders lange her.

Mal wieder eine Band, die man sich zwar zuhause anhören kann, die aber live erst ihr wirkliches Potential entfaltet. Ich hab auch wieder Freunde im Publikum gefunden. Den Menschen auf dem Foto kenne ich tatsächlich nicht.

Die Circlepits waren schon echt beeindruckend. Das Highlight waren wohl am Ende die gecoverten Punkklassiker “Should I Stay Or Should I Go” (The Clash) und “Blitzkrieg Bop” (Ramones).

Nach der Eskalation der letzen Tage und der Anti-Flag Party ging es danach für mich für ein paar Stunden zum Camp zurück. Einfach eine Weile unterhalten und in Ruhe etwas essen. Mal kein Flunkyball, kein Stechschritt zur nächsten Band, sondern einfach Pause.

Flogging Molly

Runde Eins der Folk-Punk Bands dieses Wochenende. Ich hatte nicht so richtig eine Erwartung, wie gut die Jungs sein. Aber ich wurde echt positiv überrascht, sodass das Konzert auf 50 Minuten Durchspringen hinauslief. Hat von Lied Eins Spaß gemacht. Die Menge war sofort am Start.

Ganz witzig war, dass Finch offensichlich auch Fan ist und begleitet von 2-3 Security Guards in der Menge mitgemischt hat.

Und einfach schön waren die beiden Rolli-Fahrer, die super mutig im Circle voll mitgemacht hatten. Die Meute hat sich einfach herzlich um die beiden gekümmert. Also nicht nur Rücksicht genommen, sondern den beiden eine gute Zeit beschert. Inklusive einer Art Crowdsurfen, in dem die beiden für einige Minuten von jeweils vier Leuten inklusive Rollstuhl durch die Menge getragen wurden.

Nightwish

Nightwish war für mich von Anfang an so ein “Muss ich eigenlich nicht haben”-Act. Bzw. habe ich mich gefragt, was die auf dem Headliner-Slot am Samstag machen, einfach weil es überhaupt nicht zur restlichen musikalischen Ausrichtung des Festivals passte.

Während wir auf den Beginn warteten, lief auf der Bühne nebenan noch Rin, welcher spontan Capital Bra ersetzen musste. Ich bin weder Freund von, noch Experte in deutschem Rap. Aber die Teile der Performance, die wir hören mussten, waren wirklich schmerzhaft schlecht. Vermutlich hatten die Veranstalter keine große Auswahl, aber den Slot hätten sie wohl lieber leer gelassen, statt Rin auf den 21:00 Slot am Samstag zu setzen.

Ein krasser Zufall war aber, dass ich kurz vor dem Konzert meinen Kollegen Kevin vorne im Infield getroffen habe. Ich wusste, dass er auch aus Dresden angereist war, aber sich auf einem 60000 Menschen-Festival einfach so zu treffen, ist schon unwahrscheinlich.

Nightwish selber war musikalisch echt gut. Verhältnismäßig schwierige, anspruchsvolle Musik. Es war also nicht so einfach, dazu zu tanzen. Aber jeder, der sich für Musik begeistert und vielleicht sogar etwas davon versteht, hatte wohl Spaß.

Die Sängerin ist natürlich der Kern der Performance. Was für eine Stimme, was für eine Bühnenpräsenz! Richtig gut! Aber eben auch die anderen Musiker, meiner Meinung nach getrieben vom Keyboard, haben ordentlich abgeliefert. Man könnte jetzt böse behaupten, dass die Band ganz schön Art-School-Stuff statt geradlinigem Rock macht. Aber das hat es einfach sehr spannend gemacht.

Die Stimmung ist natürlich bei sowas eine ganz andere als bei Flogging Molly, Kraftklub etc., wo man einfach eine Party feiert. Gut war sie trotzdem.

Ich bin weiterhin unschlüssig, ob Nightwish eine gute Headliner-Besetzung für ein Mainstream-Festival ist. Das musikalische Format haben sie locker. In der breiten Masse Leute begeistern, ist aber eher schwierig.

Um zwei gab es dann am Camp das letze Bier, weil es mittlerweile richtig kalt geworden war und alle nur noch in die Schlafsäcke wollten.

Der Sonntag

Nach der eiskalten Nacht hatten wir am Sonntag morgen Topp-Wetter. Die Sonne schien, die Möwen flogen herum und die Wolken verzogen sich nach und nach. Ich stieg auf Jever Fun und Orangensaft um, abends war Autofahren angesagt. Wir hatten im Anschluss ans Festival noch etwas leicht Verrücktes vor.

257ers

…Eins der witzigsten Konzerte des Festivals. Die Show begann ähnlich zu Deichkind einige Wochen vorher in Dresden und eskalierte dann in alle Richtungen. Es gab eine Schaumparty, professionelle Wrestler in der Moshpit, einen tanzenden Deadpool, Mario Brothers, die Bier durch den “Abfluss” in die Menge kippten. Und natürlich zwei völlig bescheuerte Typen, die sich auf der Bühne betrunken, eine mega Show gemacht und überhaupt nichts ernst genommen haben.

Das war musikalisch nicht gut, aber eben einfach spaßig. Alex, Lena und ich haben auf jeden Fall durchgefeiert. Und dannach noch den ersten Versuch für das das tradionelle “Festivalbänder im Sand” Foto gemacht.

Großstadtgeflüster

Vivi und Flo kamen dazu und da die Sonne mittlerweile am Start war, haben wir sowohl endlich ein Gruppenfoto also auch die Bänder im Sand auf Kamera bekommen.

Großstadtgeflüster ist live wirklich sehenwert, selbst wenn man kein großer Hiphop-Fan ist. Die beiden haben politisch das Herz an der rechten Stelle. Die Sängerin ist einfach eine dreiste Berliner Schnauze.

Und beide wissen, wie man eine Menge zum Feiern bringt. Bei den Hits wie “Fickt-Euch-Allee” oder “Feierabend” hab ich das erwartet, bei anderen Songs nicht. Aber da war einfach keine Pause zu holen, weil es so Spaß gemacht hat.

Einzig etwas doof war, dass die Menge zu den falschen Songs versucht hat, zu moshen. Nicht die richtige Musik, da funktioniert das nicht. :)

Danko Jones

So langsam wurde es richtig heiß. Es war keine Wolke mehr am Himmel, sodass Flo, Lena und ich bei Danko Jones richtig geschwitzt haben.

Und die Truppe hat ihrem Ruf mal wieder alle Ehre gemacht. Arroganter, morderner und auf den Punkt gebrachter Rock. Also insbesondere den arroganten Teil bringt der Sänger einfach authentisch rüber.

Und ich hab mir auf der Nase einen Sonnenbrand gehohlt. Aber das war einfach selber schuld.

Fehlentscheidungen und Camp abbauen

Ich hatte mich entschieden, Massendefekt und Enter Shikari auszulassen. Es gab ja noch ein Camp abzubauen, was am Morgen natürlich wegen der drei Konzerte nicht geklappt hatte. Und wegen des Schadens am Auto hatte ich auch noch ein paar Sachen zu klären.

Das war, dem Bericht von Flo und Lena nach, wohl eine dumme Idee. Inbesondere Enter Shikari war wohl ein ganz schöner Abriss. Und Maximo Park, was ich stattdessen gewählt hatte, sollte sich als mies herausstellen.

Naja, das am Camp dauerte alles etwas länger als erwartet. Aber nachdem endlich alles erledigt war, hab ich zumindest mit den Nachbarn und einem Jever Fun noch eine Runde Flunkyball spielen können.

Uns war über den Tag schon aufgefallen, dass der Campingplatz schon extrem leer war. Dass schon vereinzelt Menschen am Sonntag abreisen, weil sie z.B. montags arbeiten müssen, kommt vor. Aber so extrem hab ich das zumindest noch nicht erlebt.

Maximo Park

Einen charismatischen Sänger haben sie ja. Aber ansonsten war das alles andere als gerade und auf den Punkt. Die Musik wurde von Song zu Song zerfiedelter, wir hätten einfach gehen sollen. Doof gelaufen.

Madsen

Aus dem Palastzelt kommend sind wir fix zur Fire Stage, weil man Madsen schon hören konnte. Madsen war sehr kurzfristig für Milky Chance eingesprungen, was natürlich ein super Tausch ist. Warum wir es für die letze halbe Stunde noch ins vordere Infield geschafft haben, kann ich mir nur damit erklären, dass tatsächlich schon so viele Menschen abgereist waren. Glück für Lena und mich, der Rest vom Konzert hat richtig Spass gemacht.

Man konnte die paar Lieder, die sogar ich ganz gut kenne, mitsingen. Es wurde aber auch relativ hart gefeiert. Das haben einige Leute zu spüren bekommen, denen nicht klar war, dass je nach Verlauf eines Songs aus einem lieben Circle auch mal schnell eine Moshpit wird. Da gehört wohl doch etwas Konzert Erfahrung dazu, das Verhalten der Menge einschätzen zu können.

Dropkick Murphies

Wir hatten uns Sido gespart, aber auch von ihm die letzen paar Songs beim Warten auf die Murphies gehört. Muss ich nicht unbedingt haben, auch wenn es nicht so unfassbar mies wie Rin war. Vermutlich macht das vorne drin schon irgendwie Spaß.

Auch bei den Murphies war es echt leer, das Infield war praktisch erst mit dem ersten Akkord voll. Musikalisch möglicherweise etwas schlechter als Flogging Molly am Vortag, aber es hat einfach richtig Spass gemacht, mit den Jungs zu Irish Folk abzugehen. Weiß eigentlich jemand, warum praktisch alle Irish Folk Bands aus den USA kommen und niemand aus Irland?

Man hat den Jungs angemerkt, dass sie wirklich Spaß auf der Bühne haben. Wir haben das Wochenende oft die Ansage gehört, wie froh alle sind, nach der Pandemie-Pause wieder live spielen zu können. Bei den Murphies wirkte dass, ähnlich wie bei Callejon, echt authentisch.

Energetisch, motiviert, immer nah am Publikum. Live einfach Spitzen-Band. Und wenn man dann noch soviel Platz hat wie wir, kann man auch ausladend tanzen. Normalerweise dürfte es deutlich enger zugehen. Ich bin gespannt, im Januar bin ich in Dublin zum Konzert bei den Murphies.

Wir mobilisierten die letzen Kräfte und sprangen bis um elf Uhr durch. Dann haben Alex und ich uns von Lena und Flo verabschiedet und mussten leider schon los zum Camp.

Abfahrt

Um kurz nach elf kamen Alex und ich am Camp an, um 23:20 Uhr saßen wir zusammen mit Vivi im Auto. Es war erstaunlich stressfrei, vom Gelände bis zur Autobahn zu kommen. Da hatten wir vorher Sorgen. Im Nachhinein hätte man noch die letze halbe Stunde bei den Murphies bleiben können, aber das war einfach nicht sicher.

So fuhr ich entspannt die zwei Stunden nach Lübbecke in die Heimat durch. Ich hatte igendwie damit gerechnet, dass die Fahrt richtig anstrengend und scheiße wird, so nach vier Tagen Vollgas Festival mit viel Alkohol und nem Vollgas-Sonntag ohne Alkohol.

Das ging erstaunlich gut, wobei die zwei in der Mittelkonsole deponierten Redbull wohl eine gute Idee waren. Damit sollte die Deichbrand Expedition-am Montag um 01:30 Uhr in der Nacht enden. Für mich das vierte Deichbrand, für Lena das dritte, Flo das zweite, Alex und Vivi das erste. Ich glaube zufrieden waren wir alle am Ende.

Nächster Stop: Karibik. Pause: Gibts nicht.