Interrail-Tour Teil 6: Drei Tage in Wien
Tag 1: Schloss Belvedere und ein ausgefallenes Konzert
Der eigentliche Plan war, den Rucksack ins knapp eine Gehstunde entfernte Hotel zu bringen und dann von zehn Uhr bis zum Check-in um 14 Uhr die Stadt zu erkunden. Das ergab durch die Zugverspätung um zwölf Uhr keinen Sinn mehr. Insofern bin ich mit dem Rucksack durch den Park Belvedere. Schöne Parkanlage mit den beiden barocken Schlössern Unteres und Oberes Belvedere.
Der ganze Park hat eine fast gespenstische Symmetrie. Es war mit 30° C und leichtem Wind erstaunlich angenehm.
Dann ging es vorbei an der Karlskirche durch die Innenstadt. Mir ist sofort aufgefallen, dass Wien sehr sehr sauber ist. Also nicht nur im Vergleich zu Rom und Venedig, sondern auch im Vergleich zu anderen Städten wie München, die man allgemein als “sauber” bezeichnet.
Wien ist ja bekannt für gutes Eis, insofern musste ich da auf dem Weg ins Hotel auch zuschlagen. Ich hatte noch nie vorher ein Eis mit Ziegenkäse als Geschmack. Und ich muss zugeben, dass es auch etwas speziell war. Aber ich fand es trotzdem lecker und kann empfehlen, neben den bekannten Sorten auch hin und wieder mal die verrückten auszuprobieren.
An allem weiteren in der Innenstadt wie der Oper bin ich aber einfach zügig vorbei, um Punkt 14:00 Uhr ins Hotel einzuchecken. Endlich eine Dusche!
Ich hab noch schnell Wäsche gewaschen und aufgehängt und bin dann auch gleich wieder los. Es gab ein spätes Mittagessen aus dem Supermarkt am Donaukanal. Ich hatte nur ganz fix nach dem Einkauf auf Google Maps geschaut, was Blaues gesehen und mich in die Richtung aufgemacht, weil ich es für die Donau selber gehalten hab. Der Kanal hat zwar nette Graffitis, war aber sonst an der Stelle eher ein Betonmonster.
Noch während der Zugfahrt morgens hatte ich auf der exzellenten Website des Wiener Tourismusverbands gelesen, dass an dem Abend der Wiener Kultursommer eröffnet werden würde. Ein gratis Konzert der Wiener Symphoniker bei Picknick im Prater Park klang echt gut. Daher machte ich mich pünkltich auf den Weg dorthin. Es gab nur begrenzte Plätze.
Ich hab eine gute Stunde bis zum Prater gebraucht, weil ich mich durch das Karmeliterviertel mit seinem Markt treiben lies. Auch wenn der Markt eher leer und langweilig war, auch das Viertel ist schön. Nach den Verhältnissen in Rom war ich aber immer noch erstaunt, wie entspannt und ruhig es überall zuging.
Im Praterstern, der großen Haltestelle am Anfang des Geländes, besorgte ich im Supermarkt noch ein paar Getränke und Snacks fürs Picknick, war pünkltich zum Einlass in der Schlange und saß um kurz nach sechs auf der Wiese vor der Bühne. Super cool. Ganz viele Menschen packten ihr mitgebrachtes Zeuchs aus und genossen die Zeit. Ich kam mit einer ungarischen Frau, die schon viele Jahre in Wien lebt, ins Gespräch. Ich erzählte von meiner Tour. Sie legte mir Budapest ans Herz.
Die Stadt war auf der Shortlist, ist dann aber tatsächlich hinten runtergefallen. Ich war vor fast 30 Jahren mit acht oder so schon mal dort. Das gilt also nicht. Für die nächste Tour in Europa ist Budapest gesetzt. Im Idealfall mit dem Fahhrad.
Um sieben sollte das Konzert beginnen, es wurde aber leider immer windiger. Also so richtig windig. Man musste alles festhalten, was man nicht angezogen hatte. Und wenige Minuten vor dem Beginn wurde das Konzert leider abgesagt. Echt schade.
Also bin ich relativ planlos mit meinen Getränken im Beutel durch die Stadt und hab mich ein wenig umgeschaut. Eine nette Bar hab ich spontan nicht gefunden.
Dafür wurde ich mal wieder auf meinen Irie Révoltés Pullover angesprochen. Sogar, ob ein Foto von mir gemacht werden dürfe. Ich hab mir das Foto schicken lassen, weil ich es ganz nett fand (und ich sonst immer nur Selfies auf der Tour von mir habe). Aber ich bin immer wieder erstaunt, wo man alles auf diese Band angesprochen wird. Das war nie wirklich Mainstream. Aufgelöst haben sie sich 2017. Aber offensichlich hat Irie Menschen bewegt. Nicht nur mich.
Tag 2: Laufen gehen, leckeres Essen und ein Bier-Nerd
Morgens fühlten sich meine Füße bzgl. Blasen seit langem mal wieder so gut an, dass ich es wagte, laufen zu gehen. Hat nur mittel-gut funktioniert. Es war zwar weniger heiß als in Venedig oder Rom, aber trotzdem hab ich nach 40 Minuten aufgehört. Irgendwie war nichts drin in den Beinen, was möglicherweise an den vielen Kilometern jeden Tag durch die Städte liegt. Hab dann einen schönen Spaziergang zurück gemacht.
Ich war Mittags wieder im Hotel und bin auch glatt nochmal für eine Stunde eingeschlafen. Dann ging es aber los, ein bisschen die Stadt erkunden.
In Wien ist wirklich viel Grün zwischen dem ganzen Barock. Vor dem Rathaus gibt es zum Beispiel einen wirklich schönen Park, der in diesem Fall mit einem Filmfestival bebaut war. Dort gab es Gastro aller Art und erstaunlich viele Menschen, die die Wiener Caféhauskultur durch Gespritzten auf Bierbänken ersetzt hatten.
Ich wusste bisher nicht, dass es in Wien schon Palatschinken gibt. Ich hab das immer für ein tschechisches Gericht gehalten und gedacht, in Österreich isst man noch Crêpe. Ich hatte zwar noch keinen Hunger, aber verlockend sah es schon aus.
Was beim laufen durch Wien an allen Ecken auffällt, ist, wie Fahrrad-freundlich diese Stadt ist. Das wünsche ich mir in Deutschland auch. Große, eigene, von den Autostraßen abgetrennte Radwege. Klare Ampelschaltungen und häufig Vorfahrt vor den oft völlig unnötigen Autos in der City. Echt gut!
Vorbei am Natur-historischen Museum und durch noch mehr Grün landete ich in Spittelberg. Dort schaute ich mich um, denn auf historisches und Barock hatte ich nicht so wirklich Lust. Schönes, progressives, diverses, vermutlich extrem gentrifiziertes Viertel. Ich hatte kurz nach dem Viertel gegooglet und die Bezeichnung “Der Montmartre von Wien” gesehen. Irgendwie ist da ein Schema mit diesem Stadtteil :)
Es gibt super viel Kunsthandwerk, vermeintlich hippe Cafés mit schönen Hinterhöfen, extrem viel veganes Essen und direkt nebenan das Museumsquatier. Letzteres hab ich mir aber gespart und bin weiter zum Naschmarkt.
Der Naschmarkt ist ein ziemlich großer Markt in Wien, auf dem es einfach ganz viel zu Naschen gibt. Wenn man vorher keinen Hunger hatte: nach wenigen Minuten bei den Gerüchen hat man welchen. Es gibt natürlich auch anderes zu kaufen, aber der Fokus ist hier ganz klar auf Gastronomie. Man könnte sagen, dass es sich hier um den “OG Streetfood Market” handelt.
Ich gönnte mir zum Mittag einerseits ein leckeres Falafel Wrap, was man in Deutschland als Falafel Dürüm bezeichnen würde. Ein Döner Kebab heißt in Wien übrigends Kebap Sandwich. Andererseits hab ich danach nochmals beim Eis zugeschlagen. Dieses Mal mit der experimentellen Sorte “Birne-Basilikum”. Mega!
Frisch gestärkt bin ich dann doch zum Stephansdom, um noch etwas von der historischen Altstadt zu sehen. Dort war zwar gerade Messe, sodass man nicht wirklich hinein konnte. Aer ich hatte ja in Rom schon genug Kirchen gesehen. Nachdem ja am Abend vorher das klassische Konzert ausgefallen war, hatte ich kurz überlegt, mir für den Abend Tickets für Vivalvis “Vier Jahreszeiten” im Stephansdom zu kaufen, mich dann aber doch dagegen entschieden. Ich hatte in Spittelberg noch was gesehen, was ich testen wollte.
Dort gab es ein Lokal mit dem witzigen Schild “Hier Bier” und wechselndem Angebot, was nachmittags natürlich noch geschlossen hatte. Also zu Fuß zu Biergreisslers Wirtshaus. Das war eine echt gute Idee. Der Kellner war allein. Um halb sieben war noch nichts los. Wir kamen ins Gespräch. Ein richtiger Bier-Nerd. Wir haben über eine Stunde über verschiedene Biersorten philosophiert und ich habe einige verschiedene getestet.
Zum späten Abendessen bin ich dann in eine Filiale vom Swing Kitchen, eine Wiener Kette mit veganen Burgen. Ich glaube das war der beste fleischlose Burger, den ich jemals gegessen habe. Wow! Sehr zu empfehlen. Die Pommes waren allerdings maximal mittelmäßig. Da müssten wohl ein paar Belgier zur Schulung vorbeikommen.
Tag 3: Ausgiebiges Frühstück und Baden im Donaukanal
Was an meinem Wienbesuch noch fehlte, war der Besuch in einem klassischen Wiener Caféhaus. Eigentlich am Nachmittag mit Sacher-Torte. Bei mir ist es aber das Frühstück geworden.
Extrem ungewöhnlich, mir aber schon an vielen Stellen in Wien aufgefallen: Es gibt immer Essen mit Fleisch oder Veganes Essen. Vegetarisch, aktuell mein bevorzugter Weg, als Zwischending ist irgendwie nicht präsent. Zumindest mal ungewöhnlich, wenn man es aus Deutschland anders kennt. Da muss man Vegan noch aktiv suchen, wenn man nicht gerade in Berlin-Friedrichshain wohnt. Insofern musste ich mir mein Ei extra zum veganen Frühstück dazu bestellen.
Ich hab dann irgendwie drei Stunden in dem Café verbracht. Es war noch einiges im Blog von Rom aufzuholen. Und der Kaffee war gut, wenn auch im Vergleich zu Italien sündhaft teuer. Also eigentlich ganz normal teuer :)
Gegen halb eins war ich im Hotel, packte meine Badesachen ein und bin auch direkt wieder los. Der kurze Abstecher in den Billa im Praterstern war nicht so erfolgreich. In dem Supermarkt, der als einer der wenigen am Sonntag auf hatte, war die Hölle los. Also kein gekühltes Getränk.
Egal! Auf gings auf den Wurstelprater. In dem Vergnügungspark gibt es alles, was man von einem Rummel so kennt. Autoscooter, Geisterbahn, das berühmte Wiener Riesenrad und sogar eine Kartbahn. Ich hatte keine Ambitionen auf Fahrgeschäfte, aber die Stimmung war gut.
Hinter dem Prater liegt die Messe Wien, die mir zwar eigentlich egal war, aber die Gelegenheit für eine Pause auf einer Bank im Schatten bot. Ich hab dann einfach noch eine halbe Stunde gebloggt.
Dann ging es aber mit voller Motivation und einem eiskalten Radler von der Tanke in Richtung Pirat Bucht auf der Donauinsel. Ich war schon wieder schwer beeindruckt von den Fahrradrampen, die die Radewege an Donau und Donaukanal mit den Radwegen an den Autobrücken verbinden. Ohne Fussgänger oder Autos zu kreuzen, was beide Seiten nervt. Ohne sein Rad über Treppen tragen zu müssen. Können wir die Betonbauerpolitiker aus Dresden bitte mal nach Wien zum Lernen hinschicken?
Angekommen auf der Donauinsel hab ich einige Stunden am Sandstrand der Pirat Bucht verbracht. Super schön, viele entspannte Menschen mit guter Laune. Beste Bedinungen zum Schwimmen und Chillen in der Sonne.
Ich merkte aber mal wieder, dass ich einfach kein guter Schwimmer bin. Grob gepeilt mit Google Maps sind es hin und zürück durch diesen Teil der Neuen Donau 350 Meter. Das war ganz schön anstrengend, auch wenn ich den Weg insgesamt dreimal gemacht habe. Vielleicht muss ich einfach hin und wieder mal schwimmen gehen. Prinzipiell ist was für den Öberkörper bei dem vielen Radfahren und Laufen eh eine gute Idee.
Gut, dass ich mittlerweile ganz gut gebräunt war und trotzdem weiterhin Sonnencreme dabei hatte. Das war ganz schön viel Sonne den Tag.
Auf dem Rückweg ins Hotel entdeckte ich zufällig, dass die Mathe-Fakultät der Uni Wien direkt nebenan war. Nett für ein Foto, auch wenn mir sicherlich gerade nicht nach Mathematik war. Abends ging es dann noch in ein Restaurant um die Ecke. Das Essen war mittelmäßig, aber der Gespritze super.
Wien ist echt super freundlich und vermutlich auch sehr lebenswert. Ich muss unbedingt nochmal wieder kommen. Ich habe ein bischen das Gefühl, dass ich in dem touristischen Teil noch einiges offen gelassen habe. Dafür hab ich für die drei Tage Urlaub ganz schön viel vom Leben mitbekommen. Denk ich zumindest. Und das war richtig gut und und sollte ausgebaut werden.