Mit dem Zug von Oulx nach Venezia Santa Lucia

Der erste Abschnitt war ein Regionalzug von Oulx nach Turin. Eine erste Klasse gab es nicht. Der Zug fühlte sich genauso wie ein älterer RE in Deutschland an. Allerdings gab es unerwartet Strom an jedem Platz. Da kann sich der Thalys, egal für wie upper-class er sich hält, noch etwas von abschneiden.

In Turin stieg ich dann aber um in ein Frecciarossa 1000 (Roter Pfeil) der Trenitalia. Die Business Class entspricht wieder der ersten Klasse vom Interrail Pass. Das ist leider noch nicht die Executive Class, aber durchaus angenehm. Es ist etwas mehr Platz als in einem deutschen ICE. Es gibt einen Boardservice wie in einem Regionalflug. Also einen Kaffee oder Softdrink, einen Snack wie Nüsse oder Focaccia und eine kleine Flasche Wasser. Der Thalys mag etwas exklusiver mit seinem Hochflor-Teppich und den vielen Anzugträgern gewirkt haben, aber hier gab es dann auch Strom. Was irgendwie wichtiger ist.

In Italien gibt es in Zügen noch eine FFP2 Maskenpflicht. Wie in Deutschland. Halten tut sich da aber praktisch niemand mehr dran. Es wird auch nicht wirklich durchgesetzt.

Auch ansonsten fühlt sich das alles einigermaßen bekannt an. Instablies Wifi, zehn Minuten zu spät. Kennt man alles irgendwoher.

Der erste Abend

Wenn man den richtigen Bahnhof “Santa Lucia” in der Altstadt auswählt, fährt man die letzen Minuten über eine große Brücke. Und wenn man dann zwei Minuten vom Gleis läuft, steht man direkt am großen Kanal, mitten im historischen Teil von Venedig. Eigentlich ein ganz netter Start für den Venedig-Besuch.

Nach dem Checkin ins Hotel am späten Nachtmittag und einem schnellen Einkauf bin ich in ein Restaurant um die Ecke. Einerseits, weil ich Lust auf italienische Küche, andererseits auf Essengehen hatte. Ich war doch verwundert, wie teuer doch alles ist. Und dabei war ich jetzt nicht direkt neben einer Sehenswürdigkeit, sondern eben neben dem Hotel. Aber immerhin war es ganz okay, wenn auch nicht die beste Pizza der Welt.

Ich bin daraufhin ein bisschen durch die Gegend gelaufen und hab mich umgeschaut, bis es irgendwann dunkel wurde. Dass die Bars abends in einer italienischen Stadt voll werden, ist ja ganz normal. Aber dass niemand auf den Stegen zum großen Kanal sitzt und den Anblick genießt, fand ich komisch.

Ich hatte mir eine gekühlte Flasche Weißwein besorgt, um mich eben an so einen Steg zu setzen. Venedig bei Nacht ist wirklich schön. Ich find es schöner als tagsüber. Irgendwann setzen sich zwei Frauen mit auf den Steg, denen ich mit einem Flaschenöffner aushelfen konnte. Gleiche Einschätzung von denen. Straßenbars gibts in jeder Stadt, hier sollte man am Kanal sitzen. Wir haben uns ein bischen lose unterhalten, irgendwann nochmal Wein nachgehohlt und nen netten Abend gehabt. Das war echt witzig.

Tag 1

Ich machte mich morgens auf zur nächsten Erkundungstour mit dem groben Ziel, irgendwann am Piazza San Marco anzukommen. Mit einem groben Ziel durch die Gegend laufen, bringt einen leider in Venedig nicht besonders weit. Durch die vielen kleinen Gassen sieht man einfach garn ichts, bis man direkt davor steht. Und ansonsten verliert man durch die vielen Ecken, Wendungen und Brücken auch einfach mal die Orientierung. Ja, es gibt auf jeder Insel einen Platz, aber selbst den findet man nicht immer einfach so. Man ist also tatsächlich auf Google Maps angewiesen.

Leider sind die kleinen Gassen und auch die etwas größeren Straßen entweder voll mit Menschen oder dreckig und hässlich. Die schönen Blicke in die Kanäle sind seltener als man denkt, aber einige hab ich doch gefunden. Wie bisher in den anderen Städten den großen Massen von Menschen aus dem Weg zu gehen und nur sehr konkret und mit Ziel mal in eine Masse einzutauchen, funktioniert also auch nicht.

Und was die vielen Menschen alles so tun! Einerseits fühlt es sich an wie in einem Freizeitpark. Viel zu viele Menschen, die alle irgendwo zu einer Attraktion strömen. Andererseits auch unglaublich viele unpraktische Menschen. Wer hätte gedacht, dass ein grob 2x2 Meter großer Rollkoffer nicht von alleine Brücken und Treppen hochrollt. Wer hätte gedacht, das ein ewig langer Selfie-Stick anderen Menschen wehtut, wenn man damit herumfuchtelt wie mit einem Degen. Alles ziemlich anstrengend. Dazu dann noch alle paar Meter ein Straßenverkäufer, der gefühlt alles da hat, was man entweder in diesem Moment oder so generell niemals nicht braucht.

Die Venezianer selbst haben das System mit den Brücken und dem Transport von Dingen aber tatsächlich gut im Griff. Da gibt es Spezialwägen mit Stützrädern im richtigen Winkel, um sie die Brücken hoch- und runter schieben zu können. Im Allgemeinen scheint Lieferverkehr primär mit Muskelkraft zu erfolgen, nachdem man von einem Schiff abgeladen hat. Schon ganz cool, dass es nicht ein Auto gibt, sondern alles mit Wagen und Schiffen transportiert wird.

Ich hab ein paar wenige nette Ecken entdeckt, unter anderem eine kleine Gallerie für moderne Kunst. Aber alles in allem hat mir die Stadt an diesem Tag überhaupt nicht gefallen und ich war frustriert. Unglaublicher Massentourismus. Es ist alles extrem teuer, voll, nervig. Und so richtig schön war es auch nirgends. Der Markusplatz zum Beispiel ist einfach nur ein Platz. Nichts besonderes. Und ansonsten soll man für jeden Raum, kleiner als meine Wohnung aber drei Säulen und ein Kreuz drin, ordenltlich Eintritt zahlen.

Tag 2

Nachdem Tag 1 ja nicht so erfolgreich für mich war, hatte sich auf der nördlichsten Insel, die per Brücke zu erreichen ist, ein kleiner Park aufgetan. Dort konnte ich in Ruhe, entfernt von den Menschenmassen, am Vormittag in meinem Buch lesen.

Ich habe kurz überlegt, die überteuerten Wasserbusse zu benutzen. Um nach Murano zu den Glasbläsern überzusetzen, hatte ich keine wirkliche Motivation. Glasbläserei interessiert mich auch sonst nicht so wirklich. Warum sollte es das auf einmal in Venedig? Und nach Lido an einen überteuerten Bezahlstrand wollte ich auch nicht.

Trotz nicht vorhandener Motivation habe ich mir dann aber doch am Nachmittag noch die berühmte Ponte di Rialto angetan. Wenn man sich fest hinstellt, wird man auch kurz nicht weggeschoben und kann ein Foto machen.

Ich weiß nicht, ob es an der Adria liegt, aber die beiden Tage war es in Venedig extrem stickig und unangenehm. Dabei waren es nur knapp über 30°C, nicht wie in Paris fast 40°C. In der Stadt geht kaum Wind. Die Kanäle riechen immer leicht muffig. Aber ich hatte am Tag vorher schon gemerkt, dass es an der Promenade im Süden einigermaßen windig und damit gut auszuhalten ist.

Dort war es dann auch tatsächlich ganz schön, wenn man es weit genug von den Menschen weggeschafft hat. Sonne und Meer geht halt immer. Auf die Biennale hatte ich nicht wirklich Lust, aber der Park am Gelände ist tatsächlich ganz ok. Kein Vergleich zu den Parks in Paris, aber man kann es dort schon aushalten. Die kleine Outdoor-Ausstellung mit bunten Figuren aus Polygonen war dazu eine nette Überraschung.

Ich hab gegen sieben nochmal versucht, eine Runde joggen zu gehen. Ich hatte gehofft, dass der Weg an der Südpromenade vorbei an den Biennale-Parks zum Fußball-Stadion abends erträglich leer sein würde. Dem war nicht so, insofern war es auch nicht wirklich erfolgreiches Joggen, sondern vier Kilometer Krampf, bis ich es seingelassen habe.

Alles in allem kann ich von Venedig leider nur abraten. Vielleicht ist es im Winter ok, wenn die Luft besser, die Menschen weniger und damit die Straßen sauberer sind?